Computerspiele zwischen Kunst und Kommerz
Wolfgang Zielinski (Grimme-Institut), Denise Gühnemann (Grimme-Institut), Sonja Klann (Grimme-Institut), Juniorprofessor Dr. Benjamin Beil (Universität zu Köln)
Laufzeit: April 2018 bis Dezember 2018
Computerspiele werden häufig immer noch als ein mehr oder weniger bedenkliches Nischenmedium wahrgenommen, ein Spielzeug für junge (insbesondere männliche) Nerds. Eng verbunden mit dieser Wahrnehmung des Computerspiels als Nischen-Massenmedium ist eine hitzig geführte Debatte über die Qualität von Computerspielen – oder normativer formuliert: die Frage, was ein „gutes“ Computerspiel ist.
Das Forschungsprojekt hat erstens verschiedene Qualitätsdebatten – in praxisnahen wie in akademischen Diskursen – aufgearbeitet. Dabei ging es insbesondere auch um eine Reflexion verschiedener Klassifikationssysteme, d. h. um Begriffe wie „Kanon“ und „Genre“ sowie Label wie „pädagogisch“ oder „künstlerisch wertvoll“. Zweitens sollten eigene Vorschläge für einen Kriterienkatalog erarbeitet werden, die anschließend im Sinne eines Grimme-spezifischen Qualitätsdiskurses das Grimme-Institut in die (Fach-)Öffentlichkeit zurückgespiegelt werden.
Am 1. und 2. Oktober fand auf Schloss Wahn in den Räumlichkeiten der Theaterwissenschaftlichen Sammlung der Universität zu Köln die Tagung „Quality Games? Computerspiele zwischen Kunst und Kommerz“ statt, veranstaltet vom Grimme Forschungskolleg als Zusammenarbeit des Instituts für Medienkultur und Theater, der Grimme Medienbildung und der Fachstelle für Jugendmedienkultur. Ziel der Veranstaltung war es, verschiedene Computerspiel-Kritiker(innen) aus Wissenschaft und Praxis zusammenzubringen, u. a. aus den Bereichen Game Studies und Game Design, Medienpädagogik und kulturelle Bildung sowie Performance- und Medienkunst.
Tag 1:
Im Rahmen eines konsequent interdisziplinären Dialogs wurden verschiedene Qualitätsdebatten aufgearbeitet und unterschiedliche Klassifikationssysteme präsentiert und reflektiert. So sprach Markus Rautzenberg (Folkwang Universität der Künste) über kulturhistorische Dimensionen des Qualitätsbegriffs in der Philosophie und im Design, Thomas Hensel (Hochschule Pforzheim) fokussierte sich auf die Kunst- und Bildwissenschaft. Angelika Beranek (Hochschule für angewandte Wissenschaften München) und Daniel Heinz (Spieleratgeber-NRW) setzten sich kritisch mit dem Qualitätsdiskurs der Medienpädagogik auseinander, Andreas Lange (EFGAMP e.V.) und Winfried Bergmeyer (Stiftung digitale Spielekultur) gewährten Einblicke in die kuratorische, Jochen Gebauer (gamespodcast.de) in die journalistische Praxis. Den Abschluss bildeten eine Performance Lecture von Thomas Hawranke (Kunsthochschule für Medien Köln), die medienkünstlerische Ansätze veranschaulichte, und ein Impulsvortrag von Tanja Weber (Universität zu Köln), der aus einer intermedialen Perspektive Parallelen und Unterschiede zur Quality TV-Debatte aufzeigte.
Tag 2:
Unter den Eindrücken der unterschiedlichen Inputs wurde am zweiten Tagungstag in drei Gruppen anhand der Schlagworte Kontexte, Zielgruppen, Relevanz, Kriterien, Kategorien und Messbarkeit über konkretere Vorstellungen zu einem Bewertungsschema der Qualität von Computerspielen diskutiert.
Ergebnisse
Durch die interdisziplinäre Zusammensetzung der einzelnen Gruppe offenbarte sich recht schnell, dass die verschiedenen Annäherungen an die Qualitäten von Computerspielen nicht nur höchst unterschiedlich ausfallen, sondern auch dass Kriterienkataloge nicht selten mehr über die bewertende Institution als über das bewertete Spiel verraten. Es bedarf also immer auch einer kulturhistorischen Reflexion, die normative Zuschreibungen und starre Kriterienkataloge so gut es geht vermeidet, um den Blick auf neue, innovative Qualitäten des jungen Mediums Computerspiel freizugeben. Dazu gehören dann auch ganz neue Ansätze zur Bewertung von Spielen, z. B. eine stärkere Berücksichtigung von Aneignungsstrategien durch Fan-Communties in Form von Modding- oder Cosplay-Praktiken. Auf diese Weise wird das Computerspiel nicht mehr nur als „klassisches“ abgeschlossenes mediales Artefakt betrachtet – ein Umstand, der Qualitätsdiskurse und Auszeichnungssysteme durchaus vor ganz neue Herausforderungen stellt. Die Debatte über das Gute, das Schöne und das Wahre kann und muss also auch im Bereich der Computerspiele fortgeführt werden. Zur Ergebnissicherung und -dokumentation wurde in PAIDIA, der digitalen Zeitschrift für Computerspielforschung, ein zusammenfassender Tagungsbericht veröffentlicht. Im Rahmen der Verzahnung mit der Grimme Medienbildung / Grimme Game wurden zudem Videointerviews erstellt und auf der zugehörigen Diskursplattform in einen zusammenfassenden Beitrag eingebettet und bereitgestellt (#Gutes Spiel: Qualität bei digitalen Spielen). Schließlich bilden die Projektergebnisse eine gute Grundlage für die weitere Arbeit der Grimme Medienbildung im Spannungsfeld „Games & Gesellschaft“ und schließen unmittelbar an die dortigen Vorarbeiten an.
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