der Arbeitsgruppe „Bildung – Wissen – Kompetenz“
Die Forschungsperspektive des Kompetenzbereichs Bildung und Wissen richtet sich auf das Ineinandergreifen von digitalem Medienwandel und fortdauernden sozialen, kulturellen und kommunikativen Transformationsprozessen mit einschneidenden Folgen für die Konturierung, Ausgestaltung und Entwicklung von Kompetenzen, Bildung, Lernen und Wissen. Im Besonderen fokussieren Forschungsarbeiten den hoch komplexen und dynamischen Wandel formellen, informellen wie non-formalen Lernens mit digitalen Medien innerhalb unübersichtlicher und kontingenter gesellschaftlicher Bedingungen. Dieser Wandel ist in zunehmend diversifizierten Bildungsräumen, in sämtlichen gesellschaftlichen Lebensbereichen und über die gesamte Lebensspanne teils erst schemenhaft zu beobachten und oftmals in seinen Auswirkungen für Alltagsleben, (Aus-)Bildung, Arbeit/Beruf und Freizeit noch gar nicht oder erst ansatzweise untersucht und verstandenen worden.
Um der empirischen wie theoretisch-konzeptionellen Erforschung des komplexen und dynamischen Wandels von digitalen Medien mit seinen Auswirkungen auf Kompetenzen, Bildung, Lernen und Wissen gerecht zu werden, reicht es weder aus, sich auf die Untersuchung des Lernens in der Bildung von Schule, Ausbildung und Beruf zu beschränken, noch sich mit der Erforschung der Mikroperspektive von Lehr-Lernprozessen zu begnügen. Vielmehr ist ein Forschungsansatz notwendig, der die durchdringende Relevanz von digitalen Medien in ihrer Wechselwirkung mit anderen gesellschaftlichen Prozessen in ganzheitlicher und mehrdimensionaler Weise zu erfassen hilft. Dies bedeutet
1) Fokus auf formelles, informelles und non-formales Lernen mit digitalen Medien
Es werden sowohl (planmäßiges und organisiertes) formelles Lernen als auch (freiwilliges und selbstgesteuertes) informelles und non-formales Lernen im Kontext von digitalen Medien in den Blick genommen. Somit ist Forschung im Kompetenzbereich Bildung und Wissen sowohl auf Themen im Umfeld von Fragen der Qualifizierung ausgerichtet, die etwa im Zusammenhang mit dem Diskurs um eine neue digitale Ausbildungs- und Fortbildungsagenda rund um Industrie 4.0 von Bedeutung sind, als auch an den Entwicklungs- und Veränderungsprozessen interessiert, die zu einer digital inspirierten und herausfordernden Mediatisierung von Schule, Schullandschaft sowie Professionalisierung von Lehrer*innen führen. Daneben ist die Forschung aber auch auf Fragen des selbstgesteuerten und eigenverantwortlichen Lernens mit digitalen Medien in informellen Lebens- und Berufs-/Arbeitskontexten gerichtet, das den menschlichen Alltag jenseits von Bildungs- und Ausbildungsinstitutionen prägt: sei es im Bereich der familiären Medienerziehung, sei es in der teils privaten, teils öffentlichen Nutzung von Social Web-Angeboten in der Freizeit oder sei es im Rahmen der kommunikativen Praktiken in Computerspielkulturen von Jugendlichen.
2) Fokus auf ein Mehrebenenmodell
Es ist sinnvoll von einer Forschungsagenda auszugehen, die die Untersuchung der Mikroperspektive formellen, informellen und non-formalen Lernens mit digitalen Medien mehrdimensional erweitert. Um also zu erfassen, mit welcher Dynamik und Komplexität digitale Medien das Feld von Kompetenzen, Bildung, Lernen und Wissen durchdringen, ist es notwendig, ein Mehrebenen-Modell anzulegen. Dieses sollte sowohl offen sein für unterschiedliche methodische wie disziplinäre Forschungszugänge und -traditionen, als auch für Anbindungen zu Forschungsschwerpunkten und -projekten in anderen Kompetenzbereichen.
Die Forschungsagenda entfaltet sich auf sechs Untersuchungsebenen, um eine zugleich ganzheitliche wie differenzierte Analyse des Wandels formellen, in-formellen und non-formalen Lernens mit digitalen Medien gewährleisten zu können. Die unterschiedlichen Ebenen werden hier zwar analytisch getrennt aufgeführt, stehen aber in wechselseitiger Beziehung miteinander. Dies bedeutet, dass konkrete Forschungsthemen und -fragen sowohl aus der Perspektive einzelner Ebenen als auch eines Sets kombinierter Ebenen bearbeitet werden können. Zu unterscheiden sind folgende Untersuchungsebenen
- (Medien-)Kompetenzen
Im Unterschied zur Prozessebene untersucht diese Ebene Voraussetzungen, Einflussvariablen und Ausprägungen der (Medien-)Kompetenzen, erworben durch formelles, informelles und non-formales Lernen mit digitalen Medien. Dabei interessieren auch Analyse und Reflexion von Defiziten und Ungleichheiten sowie die Frage, wie diese durch (medien-)pädagogische Maßnahmen ausgeglichen werden können. - Formelle, informelle und non-formale Lernprozesse/Bildungsprozesse
Diese Ebene beschäftigt sich mit der Bedeutung von digitalen Medien für Kompetenzentwicklung, Bildungsprozesse und Wissensgenerierung. Der Fokus liegt also nicht in erster Linie auf erreichten Zuständen, sondern vor allem auf den Prozessen und den Entwicklungen, die zur Ausbildung von Kompetenzen, Bildung und Wissen führen. Diese Prozessebene kann sich sowohl auf die Relevanz von digitalen Medien in informellen und non-formalen Lern- und Bildungsräumen beziehen als auch formelle, organisierte Lernsettings untersuchen, wie zum Beispiel im Schulunterricht oder in der Fort- und Weiterbildung in Unternehmen. Dabei sind die unterschiedlichen (Rahmen-)Bedingungen informeller, formeller und non-formaler Lernsettings ggü. der bloßen Akteursebene besonders zu beachten. Während bei ersteren z. B. Freiwilligkeit von Maßnahmen und Nicht-Intentionalität relevant sind, spielen bei organisierten Lernsettings in starkem Maße z. B. Fragen der mediendidaktischen Strukturierung, Zielerreichung und Lernmitteleinsatz eine Rolle. - Individuelles/soziales Handeln von Akteuren
Diese Ebene ist auf die Frage gerichtet, wie Akteure (z. B. Kinder und Jugendliche) ihr Verhältnis zur digitalen Medienkultur, zu den digitalen (Lern- und Bildungs-)Medien sowie im Rahmen von digitalen Lern- und Bildungsräumen gestalten und entwickeln. Menschen sind handlungskompetente Subjekte formellen, informellen und non-formalen Lernens, die sich im Rahmen von organisierter und nicht-organisierter Bildung kulturelle Ressourcen aneignen und für Kompetenzentwicklung fruchtbar machen können. Akteurstatus besitzen neben den Lernenden auch die Lehrenden, die durch die Gestaltung von Lern- und Bildungsräumen, formelles, informelles und non-formales Lernen ermöglichen. - Digitales Medium/digitale Medienformate
Auf dieser Ebene stehen die digitalen Medien bzw. digitale Medienformate im Zentrum. So werden einerseits die Artefakte der Medienkultur und Ressourcen der Medienaneignung von Akteuren formellen und in-formellen Lernens betrachtet. Andererseits stehen sie in ihrer didaktischen Strukturierung als Lernmedien im Fokus oder im Sinne ihres Bildungspotenzials für individuelle Reflexions- und Orientierungsprozesse in einer unübersichtlichen und kontingenten Gesellschaft. - Formelle/informelle/non-formale, hybride Organisationsformen
Auf dieser Ebene geht es um die Analyse, wie sich das Ineinandergreifen von digitalem Medienwandel und gesellschaftlichen Transformationsprozessen auf den Wandel der Organisationsformen von Bildung und Lernen auswirkt. Dabei werden auch auf dieser Ebene sowohl Formen organisierter Bildung thematisiert, wie sich z. B. im Diskurs über neue digitalisierte Lehr-Lernformen an der Hochschule zeigt (Stichwort MOOCs). Es werden aber auch Organisationsformen informellen Lernens mit digitalen Medien thematisiert, die im Freizeitbereich Relevanz besitzen, z. B. digitale Organisationsformen von jugendkulturellen Vergemeinschaftungen, wie etwa extremistische Szenen. - Gesellschaftliche/kulturelle Kontexte
Auf dieser makroanalytischen Ebene geht es um die Reflexion der Wechselwirkung zwischen den bisher genannten Ebenen (individuelles/soziales Handeln von Akteuren, formelle, informelle und non-formale Lernprozesse/Bildungsprozesse, digitales Medium/digitale Medienformate, formelle/informelle Organisationsformen) und dem gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld.
3) Fokus auf die gesamte Lebensspanne
Eine ganzheitliche und mehrdimensionale Forschungsagenda für den Kompetenzbereich Bildung und Wissen schlägt sich auch in einem Fokus auf die gesamte Lebensspanne nieder. Dies bedeutet, dass sich die Untersuchungsfragen und -themen zum formellen, informellen und non-formalen Lernen auf die Adressatengruppen Kinder, Jugend, Erwachsene oder Senioren beziehen können.
4) Methodische Offenheit
Methodische Offenheit bedeutet, dass für die Bearbeitung von Forschungsfragen und -themen das gesamte methodische Spektrum quantitativer wie qualitativer Medien- und Sozialforschung verwendet kann. Auch die Anwendung triangulativer Verfahren hat sich bereits für Teilbereiche des Forschungsgegenstandes bewährt, z. B. im Bereich der Untersuchung von Medienhandeln und Medienkompetenz.