Digitale Rekonstruktionen von Konzentrationslagern am Anfang einer digital-somatischen Phase der Holocausterinnerung
Dr. Steffi de Jong (Universität zu Köln), Thomas Tekster (Grimme-Institut)
Laufzeit: Januar 2020 bis Dezember 2020
Zurzeit etabliert sich ein neues Medium für die Darstellung des Holocaust: digitale Lagerrekonstruktionen, oft in Form von Virtual und Augmented Reality. So soll beispielweise die Simulation „Witness: Auschwitz“ es erlauben, das „Alltagsleben“ im Lager nachzuempfinden. Unter Erinnerungsakteur*innen werden diese Rekonstruktionen kontrovers diskutiert. Noch fehlt eine medienwissenschaftliche und historische Einordnung, sowie eine erinnerungstheoretische Reflexion dieser neuen Erinnerungsmedien. Genau dies sollte in diesem Projekt unter Rückgriff auf die Begriffe von Immersion, Affekt und Leibgedächtnis geleistet werden. Ausgangspunkt war die Hypothese, dass die Rekonstruktionen am Anfang einer neuen Phase der Holocausterinnerung stehen: der digital-somatischen Phase. In dieser Phase soll Erinnerung nicht mehr vornehmlich kognitiv stattfinden, sondern über affektive und somatische Strategien wird der Körper Teil des Erinnerungsprozesses.
Für das Projekt wurden zwei Augmented Reality (AR) Simulationen, sowie sieben Virtual Reality (VR) Simulationen identifiziert und analysiert: die AR Simulationen der Konzentrationslager Bergen-Belsen und Falstad des Synthetic, Perceptive, Emotive and Cognitive Systems Lab (SPECS) des Catalan Institute for Bioengineering, die VR Simulationen „Witness: Auschwitz“ des Italienischen Entwicklers 101% und der italienisch-israelischen Kommunikationsagentur IsayWeb; eine Simulation des Konzentrations-und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau des Bayrischen LKA; „Virtual Sobibor“, welches vom Niederländischen Ministeriums für Sport und Gesundheit in Auftrag gegeben und an der Gedenkstätte Vugh getestet wurde; „Virtual Auschwitz“ des polnischen Entwicklers Real Invented Studios;
„Fragments“, ein Studierendenprojekt welches 2018 am israelischen Interdisciplinary Center in Herzliya (IDC) von Akim Dolinsky und Itamar Simon Duschinsky realisiert wurde; sowie „Journey Through the Camps“, entwickelt von dem Startup Stitchbridge für einen Medienraum an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh.
Für einen noch zu publizierenden Artikel wurden Interviews mit neun Entwickler*innen dieser Simulationen geführt. Zudem wurden Projektbeschreibungen, Informationsmaterial, playthroughs und Vorstellungsvideos der Simulationen gesichtet.
Ergebnisse
- Das Projekt wurde auf dem Workshop „Sammlungen zwischen Medialität und Materialität“ an der Universität Frankfurt am 8. Februar 2020 vorgestellt. Weitere Tagungen, auf denen das Projekt hätte vorgestellt werden sollen, wurden auf Grund der Covid 19 Pandemie ins Jahr 2021 und 2022 verschoben. Das Forschungsporojekt wird außerdem im Juni 2021 auf der internationalen Tagung der Memory Studies Association vorgestellt werden.
- Auf Einladung des Sonderforschungsbereichs „Affected Societies“ an der FU Berlin hielt Dr. Steffi de Jong im Rahmen der Vortragsreihe „Affective Publics“ am 15. April 2021 einen Vortrag über den Einsatz von Virtual Reality. Steffi de Jong berichtete aus ihrem Grimme-Forschungskolleg-Projekt und sprach über „Witness Auschwitz? How VR is changing Holocaust memory”. Mehr dazu hier.
- Vorstellung des Projekts in einem Blogbeitrag auf Public-History-Weekly: public-history-weekly.degruyter.com/8-2020-4/witness-auschwitz-vr/
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